Vorweg: Ich liebe Süßigkeiten. Vor allem Schokolade. Am liebsten dunkel. Noch lieber mag ich Schokoladeneis. Ganz schokoladig. Mit Karamell. Und vielen Schokostückchen. Da läuft mir das Wasser im Mund zusammen. Gummibärchen sind auch ok. Wobei ich da mehr auf irre buntes Zeug stehe. „Eklig“ nennt Christian die Gummibärchen (bzw. eben keine GummiBÄRCHEN sondern Gummizeug), die ich mag. Ballaballa und das ganze künstliche Zeug. Mjamm!
Dennoch: Wir haben uns bereits beim ersten Kind entschieden, dass unsere Kinder das erste Jahr komplett zuckerfrei aufwachsen werden. Ja ja, „In Obst und Getreide ist auch Zucker drin“-blabla – ich denke, es ist klar, was ich meine. Keine Süßigkeiten, kein Kuchen, keine Kekse, kein Pudding und diesen ganzen Kram. Kein Kristallzucker. Ein sehr löblicher Ansatz, wie ich finde. Und was ist schon ein Jahr? Warum muss ein Kind vor seinem ersten Geburtstag schon Kaba trinken, Kekse mampfen, Süßies fressen? Eben. Also sogar ein sehr sehr löblicher Ansatz, finde ich. Finde ICH. Doch was hab ich mir dafür anhören müssen… glaubt man das?? Ich selbst kann es nicht glauben.
„Keine Süßigkeiten? Da verpasst du was!“
Meine Oma nannte meinen Sohn einen „armen Kerle“, weil er noch keine Kekse essen durfte. Really? Ist man ein armer Kerle, wenn man sich nicht schon im ersten Lebensjahr den Zucker in die Backen hauen darf? Neulich – meine Tochter war noch keine 3 Monate alt, aber gierte schon eine Weile nach dem Essen auf unseren Tellern – sagte eine Bekannte meiner Oma als unsere Tochter nach dem Kuchen auf unserem Teller quengelte „Ha, gib ihr halt a Stückle!“. Entschuldigung? Einem 10 Wochen alten Kind Kuchen in den Mund stopfen? Aber ganz garantiert überhaupt gar nicht.
Ja, das ist ein Thema, das mich wütend macht. Wann wurde beschlossen, dass es supidupi ist Kinder schon möglichst früh an Zucker zu gewöhnen und dass es wirklich bedauernswert ist, wenn einem Kind das „vorenthalten“ wird? Denn ich muss mich nicht nur ständig rechtfertigen, sondern werde für diesen Vorsatz auch noch dumm belächelt.
Der Reihe nach. Mein Sohn ist mittlerweile 2,5 Jahre alt und geht in eine städtische Kita. Seit seinem ersten Geburtstag haben wir das „komplett zuckerfrei“ ein wenig gelockert. Sehr zur Erleichterung der Tagesmütter, bei denen er anfangs war, die beim Wort „zuckerfrei“ in eine kurze Schockstarre verfallen sind. Es gilt aber immer noch: Keine Süßigkeiten. Dafür ab und an mal ein Stück vom Stückchen Kuchen (ein ganzes Stück isst er noch nicht, lieber einen Teller Schnitzel mit Pommes (Pommes gab es auch erst ab 1 übrigens)) oder ein Eis.
Einmal kamen die Tagesmütter total verwundert auf mich zu als ich meinen Sohn abholte:
„Mag er keinen Pudding???“
„Pudding? Keine Ahnung. Das gibt´s bei uns nicht.“
„Es gibt bei euch keinen Pudding?!“ mischte sich eine andere Mutter ein und zu meinem Sohn sagte sie „Da verpasst du aber was…“
„Keine Süßigkeiten? Das bringt gar nix!“
Nun ist er also in einer städtischen Kita, in der es zur Eingewöhnung ein Merkblatt gab, auf dem darum gebeten wurde keine Süßigkeiten mit in die Einrichtung zu bringen. Yeah! Das gefällt mir. Und doch zog ich abends immer wieder riesige Tüten mit Süßigkeiten von Kindi-Geburtstagskindern aus seinem Kindi-Rucksack. Also wirklich RIESIGE Tüten!
Abends auf dem Sofa die riesige Süßitüte vernichten, die der Sohn heute im Kindi geschenkt bekam. Beim ersten Kind kann man’s noch machen!
— Lena W_ (@w_lena) 6. Oktober 2014
Tüten voller Gummibärchen, Schokolade, Maoam – uff! Eine Menge, bei der selbst mir (und ich kann davon einiges ab!) nach dem Verzehr furchtbar schlecht war. Hm, und das war gedacht für meinen Zweijährigen? Nicht so cool. Also hab ich mich kurzerhand im Kindi beschwert. Ob sie bitte an ihre eigene Bitte keine Süßigkeiten mit in den Kindi zu bringen festhalten könnten. Scheinbar fand das Gehör. Zumindest war keine solche Tüte mehr in des Sohnes Rucksack. Oder er hat sie direkt schon im Kindi geleert und gefuttert. Nun denn.
Neulich trafen wir auf der Straße andere Kindi-Kinder und ihre Eltern. Eine Mutter streckt meinem Sohn ein Kaubonbon entgegen „Da, für dich!“. Mein Sohn guckt das Kaubonbon an und dann die Mutter. Sein Gesicht ratlos. Die Mutter schaut mich an. Ihr Gesicht ratlos. Ich kläre auf:
„Das ist nett, aber er isst das noch nicht.“
„Wie, der isst das nicht?“
„Er kennt das nicht. Bei uns gibt´s das noch nicht.“
„Was gibt´s nicht?“
„Süßigkeiten. Das kriegen unsere Kinder noch nicht.“
Ich weiß nicht, was genau sie gehört hat, aber es muss in ihren Ohren geklungen haben wie „Wir füttern unsere Kinder ausschließlich mit Ochsenblut und Hühneraugen“. Jedenfalls schaut sie so. Dann lacht sie verächtlich.
„Ja, das denkt man immer beim ersten Kind. Das bringt gar nix!“
Der Sohn und ich lächeln und gehen. Und ich ärgere mich. Ich ärgere mich maßlos. „Das bringt gar nix!“ Das bringt gar nix?? Es bringt, dass mein Kind nicht schon in jüngsten Jahren Süßigkeiten und damit unnötigen Zucker in sich reinstopft. Das dankt ihm ganz sicher sein Körper, seine Zähne und ich freue mich, dass ich noch mit ihm einkaufen gehen kann, ohne dass er sich im Süßigkeitengang auf den Boden wirft. Und kein Mensch erwartet, dass er sein Leben lang zuckerfrei bleibt!
„Keine Süßigkeiten“ ist auch eher ein Gebot als ein Verbot. Denn sie sind nicht verboten. Es gibt sie einfach nicht. Es ist also nicht so, dass ich meinem Sohn täglich auf die Finger klopfen, die Schokokekse entreißen und die Bonbons aus den Backentaschen pulen muss. Nein. Es gibt einfach nichts Süßes und daher fragt er auch nicht danach.
Also gut. Ein bisschen Süßigkeiten.
Zu Weihnachten gab es drei kleine Schokodinger. Die lagen auf seinem Geschenk. „Oh Sockerlade!“ stellte der Sohn fest. Und hatte sie auch täglich mindestens dreimal in der Hand. Viele Tage lang. Hat sie verteilt „Eins für Mama, eins für Papa. Keins fürs Baby. Is noch klein!“ und dann hat er sie alle wieder eingesammelt und wieder verteilt, sie jeden Tag gesucht „Wo eh Sockerlade?“ und damit gespielt. Gegessen? Nun ja. Bisher noch nicht. Sie liegen seit der Weihnachtsbaum in den Garten gezogen ist bei uns im Bücherregal. Also nun schon seit drei Monaten. Bereit jederzeit vernascht zu werden. Aber der Sohn hat kein Interesse.
Bei unserem Besuch auf der Jugendfarm neulich trafen wir wieder Kindi-Mütter. Schokokekse wurden verteilt. Ob unser Sohn auch einen bekommen dürfte, fragt eine Mutter, sie wüsste ja, dass „wir das nicht so mögen“. Nee nee, „Er kann ruhig einen kriegen“, sagt Christian. Denn was wir nicht wollen ist, dass unser Sohn außenvor ist, weil seine völlig irren Eltern beschlossen haben, dass es noch keine Süßigkeiten gibt. Also kriegt er einen Schokokeks. Die Geschichte endet so, dass nun mehrere Tage ein angeknabberter Schokokeks in unserer Küche wohnte bis ich mich gestern entschloss ihn wegzuwerfen.
Ab und an überlege ich, ob die anderen Mütter recht haben und ich ihm wirklich etwas vorenthalte. Daher hab ich ihm neulich einen Kaba aufgetischt. Der Sohn probierte.
„Das is´ ekelich!“
Was ich daraus schließe? Zucker muss man lernen. Und ich finde, da haben beide Kinder noch laaaaaange genug Zeit für. Also weiter wie gehabt.
Kinder glücklich, Eltern glücklich, alle glücklich.
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