Lieber Opa, es soll nun tatsächlich schon 7 Jahre her sein, dass du gegangen bist. Es fällt mir schwer das zu glauben. 7 Jahre? Ich kann noch den Klang deiner Stimme hören. Weiß noch, wie es klang, wenn du dich räuspertest. Kann deine Phrasen, die du gerne sagtest, noch nachsprechen als hätte ich sie gestern erst gehört. Ach Opa….
Ein leidenschaftlicher Kniffler warst du. Mit meinem Onkel hast du stundenlang regelrecht Turniere gespielt. „Der Kniffel, der Kniffel liegt in der Luft!“ sagtest du. Auch bei uns. Auch dann, wenn es mal gar nicht gut aussah. Als Aufmunterung. Beim Kartenspielen „Die Oma, die kann Karten heben!“, wenn die Oma viele viele Karten aufnehmen musste und sie kaum noch in einer Hand halten konnte. „Kann ja mal vorkommen“ sagtest du, wenn du von einem Missgeschick hörtest, das meinem Bruder oder mir widerfahren war. Egal, ob das Missgeschick größerer oder kleinerer Art war. Das kann mal passieren. Das mindert euch nicht. Wenn wir dir unsere Zeugnisse zeigen wollten, hast du immer erst mal deine Brille aus dem Auto holen müssen. Und hattest du sie auf, sagtest du „Einwandfrei!“. Egal, was du im Zeugnis last. Und dann gab es ein paar Mark. Egal, was du im Zeugnis last.
Mit meinem Bruder bist du auf dem Boden herumgekrabbelt. Auto spielen. Oder „kleines Dackele und großer Schäferhund“. Klar, dass mein Bruder der große Schäferhund war. Mit mir warst du auf dem Verkehrsübungsplatz. Jeden Freitag. „Kann ja mal vorkommen“, wenn das Getriebe knarzte, weil ich die Kupplung vergessen hatte. „Kann ja mal vorkommen“.
„Auf der grünen Wiese hab ich sie gefragt,
ob sie mich noch liebe,
Nein, hat sie gesagt.“
Lieder, die ich von dir kenne
Fernfahrer warst du. Du hattest einen riesigen Lastwagen. Und du nanntest ihn wie dein ersten Enkelchen. LENA, hieß der. Ein Nummernschild vorne im Fahrerraum verriet es. Irgendwann warst du dann zuhause und kein Fernfahrer mehr. Und hattest Zeit mit meinem Bruder über den Boden zu krabbeln.
Weißt du, was mir am schwersten zu begreifen fällt daran, dass du nicht mehr da bist? Dass ich dir meine Familie nicht vorstellen kann. Meinen wunderbaren Sohn. Meine wunderbare Tochter. Meinen wunderbaren Freund.
„Hamse nich´, hamse nich´, hamse nich´ ne Frau für mich?
Ja ja ja, wir haben alles da.
Sie muss schick sein ja ja ja
nicht zu dick sein nein nein nein
kurz und gut sie muss ein Engel sein.“
Lieder, die ich von dir kenne.
Kurz bevor du gegangen bist, als man schon wusste, dass du gehen musst, hast du mich gefragt, ob es bei mir jemanden gibt. Ja, habe ich gesagt. Aber das stimmte nicht. Ich glaube, du wolltest wissen, ob ich versorgt bin. Ob ich jemanden habe. Dass ich nicht allein bin. Lieber Opa, ich habe jetzt jemanden. Das möchte ich dir so gerne sagen. Ich habe ihn kennengelernt in dem Jahr nachdem du weg warst. Und ich bin glücklich. Ich habe Familie. Zwei Kinder. Sie sind wunderbar. Du würdest sie lieben. Die Oma liebt sie auch so sehr. Sie schaut sich jeden Tag die Fotos von ihnen auf ihrem Tablet an. Sie hat jetzt nämlich ein iPad und sie kann Emails schreiben. Sie schreibt tolle Emails. Und so kann ich ihr viele Fotos schicken. Von den Kindern. Das erfreut ihr Herz. Wenn wir sie besuchen, sitzt sie mit den Kindern auf den Boden. Spielt Auto mit meinem Sohn. Krabbelt um die Wette mit meiner Tochter. Freut sich, wenn mein Sohn den zweiten Teller Mittagessen verlangt und meine Tochter vergnügt ein Fleischküchle zerlegt und in der Küche verteilt.
Auch meinen Freund fändest du toll. Da bin ich mir sicher. Man sagt, Frauen suchen sich oft Männer wie ihren Vater. Ich glaube, ich habe mir einen Mann wie meinen Opa gesucht. Ich kann nicht glauben, dass Christian dich nie kennengelernt hat und dich auch nicht mehr kennenlernen kann. Es ist als wäre er schon immer bei mir gewesen und es ist als wärst du erst eben gegangen. Es fällt mir immer noch schwer zu verstehen, dass der Abschied endgültig war.
Wenn ich einmal gehe, möchte ich, dass meine Enkel so über mich sprechen, wie es mein Bruder und ich über dich tun. Voller Liebe. Du warst wahrlich ein sensationeller Opa. Der beste Opa der Welt.
Und du fehlst mir immer noch.
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