Mutter-Sohn-Zeit: Jazz für Kinder

Wenn man zwei Kinder hat und das auch noch in relativ dichtem Abstand, dann merkt man schnell, dass man ganz ganz unbedingt auch ein bisschen Exklusivzeit einbauen muss. Vor allem, da bei uns beide Elternteile berufstätig sind. (Nein, unsere Kleine ist noch nicht in Fremdbetreuung, unsere Kleine darf mit uns ins Büro und das ist ganz wunderbar, aber das ist eine andere Geschichte, die hier auch noch erzählt werden wird.)

Wir brauchen also Exklusivzeit

Exklusivzeit für die Kleine, damit sie als Zweite nicht nur so nebenher läuft, sondern auch Erlebnisse nur ganz für sich hat.
Exklusivzeit für den Großen, damit er als Großer auch mal wieder etwas machen kann ohne ständig ermahnt zu werden.

„Achtung! Da liegt deine Schwester. Nein, nicht auf sie drauf sitzen! Vorsicht! Ihre Finger! Nee, das darf sie noch nicht essen. Halt, das gehört ihr. Das da drüben gehört dir. Achtung! Ja, gleich. Ich komm gleich. Ich muss nur kurz…. Nein. ACHTUNG! Oh Mann. Nicht! Ja, das geht. NEIN, DAS nicht.“

An der Exklusivzeit für uns Eltern arbeiten wir noch… Aber die Exklusivzeit für unsere Kinder, die setzen wir schon um. Ich zumindest schon. So gehe ich mit beiden Kindern je einzeln zum Baby- bzw. Bambinischwimmen, mit der Tochter besuche ich auch einen PEKiP-Kurs und der Sohn und ich haben noch einen ganz ganz wunderbaren festen Termin jeden Monat, bei dem nur wir zwei einen Ausflug machen. Und zwar rein in die Stadt zum Jazz für Kinder.

Unser Ausflug besteht aus S-Bahn fahren – ein totales Highlight für ihn, zum Theater laufen, eine Stunde Jazz für Kinder besuchen und dann mit der S-Bahn wieder nach Hause. 3 wunderbare Stunden nur Mama und Sohn.

Doch bevor wir die wunderbare Zeit starten können, muss ich heute erst 8 Puzzle konfiszieren und oben in unserem Kleiderschrank verstecken (<- neue Maßnahme. Wie ich sie finde, weiß ich noch nicht), weil der Sohn die Puzzleteile statt sie aufzuräumen durch das ganze Zimmer schmeißt, einen Teil unters Bett kickt und den anderen unter dem Teppich versteckt. Argh! Dieser Typ!! So entzückend, süß, schlau und lustig er ist, so provokant, frech und unausstehlich kann er sein. JETZT SCHON!

„Wie soll das erst werden, wenn er 12 ist?!“
ICH WEISS ES NICHT!

S-Bahn fahren

Wir sind spät dran. Der Sohn scheint sich langsam dran zu gewöhnen, dass man mit mir immer ein bisschen ist, denn er gibt freiwillig Gas und so eilen wir zur S-Bahn.

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S-Bahn fahren findet er spitzenmäßig. Es gibt so viel zu gucken! Heute guckt er allerdings nichts. Uns gegenüber sitzt ein Pärchen, die sind ihm so unheimlich, dass er sein Gesicht die ganze Fahrt an meinem Arm verbirgt. Bis ich ihn letztendlich auf den Schoß nehme. Das Pärchen gibt sein Bestes: versucht sogar durch Donald Duck Imitationen beim Sohn zu punkten. Nope! Er findet sie doof und so unangenehm, dass er erst wieder hinter meinem Arm vorguckt als sie endlich aussteigen. (Ich liebe ihn!)

Aus der S-Bahn ausgestiegen, flitzen wir gleich los. Wir müssen die Karten bis 10.30 Uhr abholen. Oje, das wird heute knapp. Der Sohn trabt neben mir her. Aber die Füße sind noch zu kurz und so richtig Lust den ganzen Weg zu rennen hat er auch nicht. Also gibt´s nur eine Lösung. „Mama, will auf die Sulter!“ Alles klar. Aufgestiegen!

Jazz für Kinder

10.31 Uhr erreichen wir das Ende der Kassenschlange. Ich bange schon um unsere Karten, aber sie sind noch da als wir nach 10 Minuten endlich an der Reihe sind. Drinnen hole ich dem Sohn eine Orangina – wie jedes Mal. Die ersten Eltern stellen sich mit ihren Kindern schon in Position. Schließlich geht in 20 Minuten schon die Absperrung auf!!….. und man kann den Raum stürmen und es gilt sich und dem Sproß die besten Plätze zu sichern!

Doch noch können wir uns dieser Bewegung entziehen und versuchen gemütlich unsere Orangina zu schlürfen…

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…aber die Schlangesteher machen mich dann doch irgendwann nervös. Kann ich die „Gate-Ansteher“ im Flughafen lässig ignorieren – ich meine: Hallo Platzkarte!!, geht es hier eben wirklich um was: einen guten Sitzplatz für den Sohn. Also mischen wir uns unter die anderen. Der Sohn und ich tun, was wir am liebsten tun: gucken. Das Kind guckt Kinder und ich gucke Eltern. Immerhin stehen wir hier zwischen einer ganz besonderen Spezies Eltern. Ich nenne sie die „Stuttgart West Eltern“. Alle schon einen Tick älter, sicher studiert und alle wahnsinnig an der freien Entfaltung und der unermüdlichen Talentförderung ihrer Kinder interessiert. Ich bin mir ganz sicher, dass sie sich ganz sicher sind, dass sie jederzeit nach Berlin ziehen könnten und niemand ihren schwäbischen Ursprung bemerken würde. Weil sie so lässig sind. Väter wie Mütter tragen sowohl strubbelig gestylte Out-of-Bed-Frisuren als auch Fjall Raven Rucksäcke und vor allem tragen sie schon ihre Jüngsten in der Kinderwagentragetasche in den Zuschauerraum. Man kann schließlich nicht früh genug mit der musikalischen Früherziehung beginnen.

Sie sind wie ich!! Schließlich bin ich 1. in Stuttgart West aufgewachsen, rege mich 2. in Berlin über andere Touristen (richtige Touristen!! Nicht solche wie ICH!) auf und 3. skandiere ich eh schon immer „Mir in Schduddgard, also mir, die wo so richdig in dr City wohnEN, mir sprechEN kain schwäbisch. Mir sprechEN faschd hochdeitsch!“

Aber zurück zum Jaaaazzzzz. Wir dürfen jetzt nämlich hoch! Also schnell den Sohn an die Hand und die Treppe hoch in den Saal, in den Zuschauerraum und einen Platz suchen.

„Ist hier noch frei?“
„Ja, klar!“ sagt ein Mann. Wir wollen uns setzen.
„Nein!! Da kommen noch zwei!“ kreischt seine Frau panisch.
„Sorry…“, murmelt der Mann.

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Also woanders hin. Guter Platz. In der Mitte am Gang. Der Sohn kann gut gucken. Vor uns sitzt eine Oma mit ihrem Enkel (oder eben eine sehr alte Mutter. Aber das halte ich sogar in diesem Rahmen für unwahrscheinlich). Von hinten kommt eine Frau mit ihrem Sohn und platziert ihren Sohn neben Omas Enkel.

„Oh, das wird jetzt aber eng!“ meint die Oma.
„DAS HIER VORNE ISCH EIGENTLICH SOWIESO NICHT FÜR ERWACHSENE!!“ keift die Frau.
„Aber er ist noch so klein und hinten sieht er nix!“ sagt die Oma.

Ich bereite innerlich schon meine Verteidigungsrede vor. Aber es passiert nix. Die Frau setzt ihren Sohn einfach in den Gang. Und – siehe da! – bleibt selbst auch fast die ganze Zeit vorne sitzen. Pfff.

Und dann geht´s looooooos!! Und ich liebe es!! Wie jedes Mal!! Vier wunderbare Jazzmusiker spielen Kinderlieder an Schlagzeug, Kontrabass, Flügel und Saxophon. Und heute sogar kurzzeitig am Fagott! Und es ist so großartig. Dass es mich so verzückt „Hopp Hopp Hopp Pferdchen lauf Galopp“ oder „Brüderchen, komm tanz mit mir“ zu hören, hätte ich vor meiner ersten Jazz für Kinder-Erfahrung vor einigen Monaten auch nicht gedacht. Und heute spielen sie sogar was von Peter und der Wolf! Herrlich! Und sie spielen all das so wunderbar, obwohl das Publikum stur auf 1 und 3 klatscht (ich nicht! ich bin Schlagzeugertochter!). Der Sohn klatscht übrigens gar nicht. Er sitzt jedes Mal scheinbar teilnahmslos auf seinem Platz und guckt. Und guckt. Und guckt. Und ich klatsche und schnippse (obwohl ich das nicht besonders gut kann) und singe und tanze. Wir hatten auch mal Rasseln dabei. Eigene Musikinstrumente zum Kinderjazz mitzubringen ist ausdrücklich erlaubt. Aber der Sohn wollte nicht rasseln. Natürlich nicht.

„Und wie fandest du´s heute im Jazz? War super, oder?“
„Gut.“
„Ja, fandste´s gut?“
„Ja.“

Seine Euphorie schwächelt neben meiner doch sehr. Warum ich trotzdem immer wieder hingehe? Weil er später zuhause seine Ukulele vor sich aufstellt wie einen Kontrabass und alle Lieder nachsingt, die er gehört hat und dabei kräftig an den Seiten zupft. Und weil er am Morgen vor dem Jazz jedes Mal zum zum Papa sagt:

„Wir gehn zum Zäs, Papa. Fahre S-Bahn! Mama und ich!“

 

Fakten: Jazz für Kinder im JES Stuttgart, Kinder ab 2 Jahre, Erwachsene 5€ / Kinder 3€, unbedingt rechtzeitig reservieren!

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