Einem Kind die Haare selbst schneiden, bringt Kind und Eltern schnell an ihre Grenzen. Zumindest wenn man ein so temperamentvolles Exemplar zuhause hat wie unseren Sohn (und uns…). Haare selber schneiden ist immer eine nervenaufreibende Sache. Doch das erzählte ich schon. Und nach ein paar Wochen kommt dann doch wieder der Moment:
“Unser Sohn sieht schon wieder aus wie Otto Schily.”
Und diesmal darf er zum Friseur.
Wir suchen einen Kinderfriseur
Also einen Kinderfriseur finden. Eine Empfehlung hab ich schon. Aber der hat natürlich keinen Termin mehr frei. So ein Pech. Schließlich hab ich mir das für genau HEUTE vorgenommen. Und wenn ich einmal einen Plan habe, bin ich sehr sehr unglücklich, wenn ich ihn nicht durchziehen kann. (Immerhin habe ich sehr selten Pläne, weil Pläne so furchtbar stressig sind und meist eh nie passieren wie gedacht. q.e.d.)
Aber da fragt die empfohlene Friseurin mich „Wollen Sie dann lieber zum Breuni gehen oder bei uns einen Termin ausmachen?“
„Hä? Beim Breuni brauch ich keinen Termin?“
„Nee, aber da ist Samstags immer ziemlich voll.“
„Ich ruf wieder an!“
Ha! Wär doch gelacht. Heute wird zum Friseur gegangen. Also beim Breuni anrufen. Mal die Lage checken. Ich erinnere mich, mein Bruder war früher immer beim Breuni beim Friseur. Kam in der 90ern/2000 mit silbernen Stacheln auf dem Kopf zurück. Aber eigentlich war das ganz schön da. Also mal sehen. Die Friseurin am Telefon sagt, sie könne es schlecht abschätzen, aber so 5-8 Personen wären sicher immer vor mir.
„Ob wir was zum Spielen haben um die Wartezeit zu überbrücken? Ja, n Fernseher. Ach und n paar Bücher.“
Hm. Das klingt scheisse…., aber PLAN IST PLAN. Und 5-8 Personen vor uns klingt aushaltbar. Schließlich werden bei Kindern meist doch nur die Spitzen geschnitten und keine Dauerwelle gelegt. Also gehen der Sohn und ich los. Mutter-Sohn-Ausflug. Immerhin fahren wir auch S-Bahn. Da steht der Sohn drauf.
Christian triumphiert.
Erkenntnis: Tochter und ich sind uns bei der Frisur sehr ähnlich. Sie muss noch nicht, ich nicht mehr zum Friseur! Freier Vormittag für uns!
— Christian Här (@c_haer) 10. Januar 2015
Wir fahren also in die Stadt. Es stürmt.
„Blöder Wind, geh weg! GEH WEG!!“
Der Sohn ist in Stimmung. Ich bin aufgeregt. Mit dem Sohn zum Friseur. Zum ersten Mal!! Im Breuni müssen wir eine Weile suchen bis wir in dem riesigen Kaufhaus den Friseur finden. Der ist nämlich jetzt ganz woanders als er vor 15 Jahren war. In eine Ecke in der Kinderabteilung gedrängt, stehen da einige pastellfarbene Tiere zum draufsitzen in greller Neonbeleuchtung. Auf den Tieren sitzen aktuell zwei Mädchen. Neben den Tieren hängt ein Fernseher an der Wand. Davor 4 Reihen kleine Stühle zu zwei Dritteln voll mit wartenden Kinder. Alle den Kopf in den Nacken gelegt. Alle glotzen irgendeine hässliche Kika-Zeichentrick-Serie. Neben den Stühlen liegt auf dem Boden lieblos ein kleiner Stapel Bücher. Ich ziehe eine Nummer. 43. Aktuell an der Reihe: 27. Noch 15 vor uns?? Oh Mann. Ich weiß nicht. Ich gehe in mich und überlege, wie sehr ich diesen Plan durchziehen will. Komme was wolle? Zu jedem Preis? Der Sohn steht vor dem Fernseher. Den Kopf in den Nacken gelegt. Die Augen glasig. Jetzt schon. Nee, das gefällt mir hier nicht. Die Friseurinnen gefallen mir auch nicht. Aber das ist eine andere Geschichte. Krieg ich den Sohn noch vom Fernseher los?
„Du, Schatz! Wir gehen wieder.“
„arum??“
„Hier ist voll!“
„arum??“
„Ähm, wir gucken mal woanders, ok?“
Widerwillig geht er mit. Scheiß Fernseher. Jetzt erstmal raus. Kacke, wenn wir jetzt wieder heim gehen, dann war´s ein blöder Ausflug. Ich beschließe, wir gucken uns mal den empfohlenen Friseur an. Ob der uns besser gefällt. Dann können wir einen Termin machen. Oder noch besser: Vielleicht können die uns gleich dazwischenschieben!
Aber jetzt regnet´s auch noch. Der Sohn ist müde und hat überhaupt keine Lust mehr zu laufen. Und der Wind regt ihn auch auf. Die Stimmung ist bombig. Endlich sind wir am Kinderfriseur. Tür auf. Kind reinschieben. Und dann….
Ü B E R A L L B A G G E R !
Der Sohn kriegt glasige Augen. Schon wieder… Aber ich auch! Bagger! Und Bücher! Und Actionfiguren! Und gar kein Fernseher! Wir wollen hier bleiben! Aber wir dürfen nicht. Alle Stühle besetzt. Auch die Wartestühle. Oh Mist! Aber wir machen einen Termin aus.
„Du, Schatz! Wir gehen wieder.“
„arum??“
„Hier ist voll!“
„arum??“
„Ähm, wir kommen am Mittwoch wieder.“
„arum??“
„Da haben wir einen Termin! Das wird großartig!“
„arum??“
Der Sohn bricht in Tränen aus. Will nicht mehr raus in den blöden Wind. Aber wir müssen. Kapuzen auf und raus. Und dann kommt mir die Idee: „Sohn, wir gehen Pizza essen!“ Und so gehen der Zweijährige und ich Pizza essen. So richtig ins Restaurant. Nur wir zwei.
„Wieviele Personen?“
„Zwei.“
„Brauchen Sie nen Hochstuhl?“
„Lieber Sitzbank.“
„Hier drüben bitte.“
Der Sohn kriegt eine eigene Speisekarte und sucht sich was aus. Schinkenpizza und Orangina. Er ist stolz wie Oskar. Und er freut sich. Und ich mich auch.
Und dann ist irgendwann Mittwoch.
Unser Termin beim Kinderfriseur – jetzt echt!
Ich hol den Sohn vom Kindi ab und bin echt aufgeregt. Natürlich hab ich ihm morgens schon gesagt, dass wir heute zum Friseur gehen. Und gestern auch schon. Und vorgestern. Ach, eigentlich red ich die ganze Zeit davon. Und deswegen sagt er im Kindi auch seinen Erzieherinnen „Tssüüüüsss, ich geh fisör heute!“ Aber die wissen das schon. Hab ich heute morgen schon erzählt. Und gestern auch schon. Und vorgestern. Ach, eigentlich red ich… lassen wir das.
„Beim Friseur gibt’s viele Friseur!“ Bin nicht sicher, ob der Sohn weiß, was ihn da heute erwartet.
— Lena W_ (@w_lena) 14. Januar 2015
Wir gehen jetzt zum Friseur, sag ich dem Sohn.
Ja, wir beide, sagt der Sohn.
Ja, zum Haare schneiden, sage ich.
Nein, nich´ Haare s´neiden! sagt der Sohn.
Oha…
Aber ich hab ja noch einen Trumpf im Ärmel: Bagger! Da gibt´s doch viele Bagger!
Beim Friseur angekommen, kommt direkt unsere Friseurin auf uns zu. Typ „altes Mädchen“. Lange, halbhoch gesteckte Haare (inkl. Haarteil), Leggings, Röckchen und Fellstiefelchen. Eher 70 als 20. Und mit Kneipenstimme. Aber sie begrüßt den Sohn herzlich. So muss es sein. Auf einen Stuhl sitzen will er AUF GAR KEINEN FALL!
„Schau mal, die Mama kriegt einen Umhang!“ AUF GAR KEINEN FALL!!
„Guck mal, jetzt machen wir dir ´nen Umhang rum!“ AUF GAR KEINEN FALL!!
„Ok, du kannst aus der Garderobe rauskommen. Die Mama nimmt dich einfach auf den Schoß.“ LIEBER NICHT!
„Guck mal, ein Feuerwehrbuch! Wow, was ist denn das Cooles?“ Der Sohn riskiert einen Blick.
„Das ist ja cool. Ein Lawinenunglück!“ sagt die Friseurin. Dass das ja eigentlich gar nicht sooo cool ist, verkneif ich mir. Es geht hier immerhin um was ganz anderes. Was großes. EINE NEUE FRISUR! Schluss mit dem Otto Schily Pony!
Also kommt der Sohn aus seinem Garderobenversteck und setzt sich auf meinen Schoß mit dem Gesicht zu mir. Die Friseurin beginnt unzählig viele Bücher und Actionfiguren zwischen uns aufzutürmen. Und setzt die Schere an.
„NEEEIIIIIIIN!“ brüllt der Sohn.
„NEEEEIIIIIIIN!“ denke ich. Denn wir tragen keine Umhänge, weil der Sohn die („AUF GAR KEINEN FALL!!“) ja leider abgelehnt hat und so rieseln Söhnchens Haare auf unser beider Schoß. Na toll…
Die Friseurin juckt das nicht. (Uns später aber umso mehr!!!!)
Sie schneidet munter weiter. Dass der Sohn das scheiße findet, ignoriert sie gekonnt und verweist auf irgendein neues Spielzeug aus unserem Schoß-Spielzeug-Turm. Irgendwann hat der Sohn dann sowas wie eine Frisur. Naja. Es ist zumindest ein klein bisschen kürzer. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass der Sohn dauernd den Kopf weggeduckt hat um der Schere zu entgehen, ist es schon in Ordnung. Nicht so cool ist, dass wir beide wirklich komplett voller stupfeliger Haare sind. Oh Mann.
„Ziehen Sie ihm einfach kurz das Shirt aus“, meint die Friseurin. Gar nicht so leicht! Der Sohn trägt nämlich Body. So ein Mist. Ich beschließe, dass das schon so geht. Also Jacke an und raus hier. Der Sohn findet gar nicht, dass das schon so geht. Den juckt´s wie Sau. Wegen dem Scheißbody kriegen wir die Haare nicht raus. Oje. Das nächste Mal muss das anders laufen. Also will ich JETZT SOFORT (Plan! s.o.) Unterhosen für ihn kaufen. Direkt neben dem Friseur ist ein großes Kaufhaus. Rein da. Hoch in den 5. Stock, Kinderabteilung.
Slips, Boxershorts, langärmelige Unterhemden oder lieber kurzärmelige? 98/104 oder schon 110/116? Ich kann mich nicht entscheiden. Wie schwer kann es sein Unterhosen zu kaufen?!
„Mama, da is´ ein Haar!“
„Ja, ich schau gleich.“
„MAMA, DA IS EIN HAAR!“
„Gleich!“
„MAAAAAAAMAAAAAAAAAA!“
Na guuuut, Ich gucke von den doofen Unterhosen auf und….
mein Sohn steht mitten auf dem Gang, neben ihm liegen Jacke und Mütze. Er hat beide Hände in der Hose und zerrt wie verrückt an den Knöpfen seines Bodys „EIN HAAAAAAAAAAR!!“ heult er „DA IS EIN HAAAAAAAAAAAAAAR“.
Puh!
Dem Papa schicke ich direkt ein Foto.
Und was sagt der?
„Warum hast du ihm einen Vokuhila schneiden lassen??“
Grrrrrrrrr…..
Wisst ihr was? Morgen ist wieder Kinderfriseur.
Und wisst ihr, wer mitgeht? Der PAPA!
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